Hölderlins Echo

Musik

„Fragmente – Stille, An Diotima“

Luigi Nono (1979/80)
SWF Experimentalstudio

Konzert Nr.1, op. 8 für Flöte und Klavier, 1. Satz

Friedrich Ludwig Dulon 
Mit einer Kadenz von Friedrich Hölderlin (ca. 1789) 
Pirmin Grehl (Querflöte), Jhih-Ting Wong (Klavier)

„Die Nacht“, op. 67, Nr. 2

Hermann Reutter (1946) 
Friedrich Hölderlin „Die Nacht“ (1800/01) 
Yue Wang (Gesang), Hartmut Höll (Klavier)

Ringsum ruhet die Stadt; still wird die erleuchtete Gasse,

Und, mit Fackeln geschmückt, rauschen die Wagen hinweg.

Satt gehn heim, von Freuden des Tags zu ruhen die Menschen,

Und Gewinn und Verlust wäget ein sinniges Haupt

Wohlzufrieden zu Haus; leer steht von Trauben und Blumen

Und von Werken der Hand ruht der geschäftige Markt.

Aber das Saitenspiel tönt fern aus Gärten; vielleicht daß

Dort ein Liebender spielt, oder ein einsamer Mann

Ferner Freunde gedenkt und der Jugendzeit; und die Brunnen,

Immerquillend und frisch, rauschen am duftenden Beet,

Still in dämmriger Luft ertönen geläutete Glocken,

Und der Stunden gedenk rufet ein Wächter die Zahl.

Jetzt auch kommet ein Wehn und reget die Gipfel des Hains auf,

Sieh!, und das Ebenbild unserer Erde, der Mond

Kommet geheim nun auch, die Schwärmerische, die Nacht kommt;

Voll mit Sternen und wohl wenig bekümmert um uns

Glänzt die Erstaunende dort, die Fremdlingin unter den Menschen

Über Gebirgeshöhn traurig und prächtig herauf.

„Hymne an die Liebe”, op. 71/1

Richard Strauss (1921) 
Friedrich Hölderlin „Hymne an die Liebe“ (1792) 
Ilker Arcayürek (Gesang), Hartmut Höll (Klavier)

Froh der süßen Augenweide

Wallen wir auf grüner Flur,

Unser Priestertum ist Freude,

Unser Tempel die Natur;

Heute soll kein Auge trübe,

Sorge nicht hienieden sein!

Jedes Wesen soll der Liebe

Frei und froh, wie wir, sich freun!

 

Höhnt im Stolze, Schwestern, Brüder!

Höhnt der scheuen Knechte Tand!

Jubelt kühn das Lied der Lieder,

Festgeschlungen Hand und Hand!

Steigt hinauf zum Rebenhügel,

Blickt hinab ins weite Tal!

Überall der Liebe Flügel,

Hold und herrlich überall!

 

Liebe bringt zu jungen Rosen

Morgentau aus hoher Luft,

Lehrt die warmen Lüfte kosen

In der Maienblumen Duft;

Um die Orione leitet

Sie die treuen Erden her,

Folgsam ihrem Winke, gleitet

Jeder Strom in‘s weite Meer;

 

An die wilden Berge reihet

Sie die sanften Täler an,

Die entbrannte Sonn‘ erfreuet

Sie im stillen Ozean;

Siehe! mit der Erde gattet

Sich des Himmels höchste Lust.

Von den Wettern überschattet

Bebt entzückt der Mutter Brust.

 

Liebe wallt durch Ozeane,

Höhnt der dürren Wüste Sand,

Blutet an der Siegesfahne

Jauchzend für das Vaterland;

Liebe trümmert Felsen nieder,

Zaubert Paradiese hin —

Lächelnd kehrt die Unschuld wieder,

Göttlichere Lenze blüh’n.

 

Mächtig durch die Liebe, winden

Von der Fessel wir uns los,

Und die trunknen Geister schwinden

Zu den Sternen, frei und groß!

Unter Schwur und Kuß vergessen

Wir die träge Flut der Zeit,

Und die Seele naht vermessen

Deiner Lust, Unendlichkeit! –

Thema der 6 Variationen über

„Nel cor più non mi sento“
Ludwig van Beethoven (ca. 1797) 
Yuriko Watanabe (Klavier), Toygun Kirali (Tonmeister)

„Sonnenuntergang“

Peter Cornelius (1862) 
Friedrich Hölderlin “Sonnenuntergang” (1779) 
Ilker Arcayürek (Gesang), Hartmut Höll (Klavier)

Wo bist du? Wo bist du? trunken dämmert die Seele mir

Nach allen deinen Wonnen; All deinen Wonnen; denn eben ist’s,

Daß ich gelauscht, wie goldner Töne

Voll, der entzückende Sonnenjüngling

 

Sein Abendlied auf himmlischer Leier spielt,

Es tönten rings die Wälder und Hügel nach.

Doch fern ist er zu frommen Völkern,

Die ihn noch ehren, hinweggegangen. —

„An eine Rose“

Phillip Jarnach (1913) 
Friedrich Hölderlin „An eine Rose“ (1793) 
Victoire Bunel (Gesang), Hartmut Höll (Klavier)

Ewig trägt im Mutterschoße,

Süße Königin der Flur!

Dich und mich die stille, große,

Allbelebende Natur;

Röschen! Unser Schmuck veraltet,

Stürm’ entblättern dich und mich,

Doch der ewge Keim entfaltet

Bald zu neuer Blüte sich

„Der Sommer“

György Ligeti (1989) 
Friedrich Hölderlin „Der Sommer“
(signiert: „Mit Untertänigkeit Scardanelli d. 9ten März 1940“) 
Yue Wang (Gesang), Hartmut Höll (Klavier)

Noch ist die Zeit des Jahrs zu sehn, und die Gefilde

Des Sommers stehn in ihrem Glanz, in ihrer Milde;

Des Feldes Grün ist prächtig ausgebreitet,

Allwo der Bach hinab mit Wellen gleitet.

 

So zieht der Tag hinaus durch Berg und Tale,

Mit seiner Unaufhaltsamkeit und seinem Strahle,

Und Wolken ziehn in Ruh‘, in hohen Räumen,

Es scheint das Jahr mit Herrlichkeit zu säumen. —

„Hölderlin-Fragmente: Andenken“

Hanns Eisler (1943)
Friedrich Hölderlin „Andenken“ (1800/05)
Victoire Bunel (Gesang), Hartmut Höll (Klavier)

Der Nordost weht,

Der liebste unter den Winden

Mir, weil er gute Fahrt verheißet.

Geh aber nun, grüße

Die schöne Garonne,

Und die Gärten von Bordeaux

Dort, wo am scharfen Ufer

Hingehet der Steg und in den Strom

Tief fällt der Bach, darüber aber

Hinschauet ein edel Paar

Von Eichen und Silberpappeln;

An Feiertagen gehen

Die braunen Frauen daselbst

Auf seidnen Boden,

Zur Märzenzeit,

Wenn gleich ist Tag und Nacht,

Und über langsamen Stegen,

Von goldenen Träumen schwer,

Einwiegende Lüfte ziehen. —

 

[Es reiche aber,

Des dunkeln Lichtes voll,

Mir einer den duftenden Becher,

Damit ich ruhen möge; denn süß

Wär‘ unter Schatten der Schlummer

Nicht ist es gut,

Seellos von sterblichen

Gedanken zu sein. Doch gut

Ist ein Gespräch und zu sagen

Des Herzens Meinung, zu hören viel

Von Tagen der Lieb’,

Und Taten, welche geschehen.

 

Wo aber sind die Freunde? Bellarmin

Mit dem Gefährten? Mancher

Trägt Scheue, an die Quelle zu gehen;

Es beginnet nämlich der Reichtum

Im Meere. Sie,

Wie Maler, bringen zusammen

Das Schöne der Erd’ und verschmähn

den geflügelten Krieg nicht, und

Zu wohnen einsam, jahrlang, unter

Dem entlaubten Mast, wo nicht die Nacht durchglänzen

Die Feiertage der Stadt,

Und Saitenspiel und eingeborener Tanz nicht.

 

Nun aber sind zu Indiern

Die Männer gegangen,

Dort an der luftigen Spitz’

An Traubenbergen, wo herab

Die Dordogne kommt

Und zusammen mit der prächtg’en

Garonne meerbreit

Ausgehet der Strom. Es nehmet aber

Und gibt Gedächtnis die See,

Und die Lieb’ auch heftet fleißig die Augen,

Was bleibt aber, stiften die Dichter.]

„Frühling“

Friedrich Hölderlin: Gedicht „Frühling“ (1825) 
Komposition: Viktor Ullmann (1943/44)
Yue Wang (Gesang), Hartmut Höll (Klavier)

Wenn auf Gefilden neues Entzücken keimt

Und sich die Ansicht wieder verschönt und sich

An Bergen, wo die Bäume grünen,

Hellere Lüfte, Gewölke zeigen,

 

O! welche Freude haben die Menschen! froh

Gehn an Gestaden Einsame, Ruh und Lust

Und Wonne der Gesundheit blühet,

Freundliches Lachen ist auch nicht ferne. —

„Abendphantasie“

Viktor Ullmann (1943)
Friedrich Hölderlin „Abendphantasie“ (1799) 
Mitsuko Shirai (Gesang), Hartmut Höll (Klavier) 
Mit freundlicher Genehmigung von Capriccio (2), ℗ Delta Music GmbH

Vor seiner Hütte ruhig im Schatten sitzt

Der Pflüger, dem Genügsamen raucht sein Herd.

Gastfreundlich tönt dem Wanderer im

Friedlichen Dorfe die Abendglocke.

 

Wohl kehren izt die Schiffer zum Hafen auch,

In fernen Städten, fröhlich verrauscht des Markts

Geschäft’ger Lärm; in stiller Laube

Glänzt das gesellige Mahl den Freunden.

 

Wohin denn ich? Es leben die Sterblichen

Von Lohn und Arbeit; wechselnd in Müh‘ und Ruh

Ist alles freudig; warum schläft denn

Nimmer nur mir in der Brust der Stachel?

 

Am Abendhimmel blühet ein Frühling auf;

Unzählig blühn die Rosen und ruhig scheint

Die goldne Welt; o dorthin nimmt mich,

Purpurne Wolken! und möge droben

 

In Licht und Luft zerrinnen mir Lieb‘ und Leid! –

Doch, wie verscheucht von thöriger Bitte, flieht

Der Zauber; dunkel wirds und einsam

Unter dem Himmel, wie immer, bin ich –

 

Komm du nun, sanfter Schlummer! zu viel begehrt

Das Herz; doch endlich, Jugend! verglühst du ja,

Du ruhelose, träumerische!

Friedlich und heiter ist dann das Alter.

Madrigal: „Das Angenehme dieser Welt“

In tschechischer Sprache gesungen 
Gideon Klein (1943) 
Friedrich Hölderlin „Das Angenehme dieser Welt“ (nach 1806) 
Consort Diapente Roma , Lucio Ivaldi (Dirigent) 
KZ Musik: Encyclopedia of Music composed in Concentration Camps 1933-45, Vol. 14, herausgegeben von Francesco Lotoro 
© Licensed from Associazione Musikstrasse, Roma 
© Musica Judaica, Barletta

Das Angenehme dieser Welt hab’ ich genossen,

Die Jugendstunden sind, wie lang! wie lang! Verflossen,

April und Mai und Julius sind ferne,

Ich bin nichts mehr, ich lebe nicht mehr gerne!

„An die Hoffnung“

Hanns Eisler (1943)
Friedrich Hölderlin „An die Hoffnung“ (1800/04)
Mitsuko Shirai (Gesang), Hartmut Höll (Klavier)
Mit freundlicher Genehmigung von Capriccio (2), ℗ Delta Music GmbH

O Hoffnung! holde! gütiggeschäftige!

Die du das Haus der Trauernden nicht verschmähst,

Und gerne dienend, Edle! zwischen

Sterblichen waltest und Himmelsmächten,

Wo bist du? wenig lebt′ ich; doch atmet kalt

Mein Abend schon. Und stille, den Schatten gleich,

Bin ich schon hier; und schon gesanglos

Schlummert das schaudernde Herz im Busen.

Im grünen Tale, dort, wo der frische Quell

Vom Berge täglich rauscht, und die liebliche

Zeitlose mir am Herbsttag aufblüht,

Dort, in der Stille, du Holde, will ich

Dich suchen, oder wenn in der Mitternacht

Das unsichtbare Leben im Haine wallt,

Und über mir die immerfrohen

Blumen, die blühenden Sterne glänzen,

O du des Äthers Tochter! erscheine dann

Aus deines Vaters Gärten, und darfst du nicht

Ein Geist der Erde, kommen, schröck′ , o

Schröcke mit anderem nur das Herz mir.

„Gesänge der Frühe“, op. 133, Nr. 1

Im ruhigen Tempo
Robert Schumann (1853)
Jean Martin (Klavier), aufgeführt 1972

“An Zimmern”, Nr. 3 Hölderlin-Gedichte

Wolfgang Rihm (2004) 
Friedrich Hölderlin „An Zimmern“ (1812)
Yue Wang (Gesang), Hartmut Höll (Klavier)

Die Linien des Lebens sind verschieden
Wie Wege sind, und wie der Berge Gränzen.
Was hier wir sind, kan dort ein Gott ergänzen
Mit Harmonien und ewigem Lohn und Frieden.

„Due Espressioni“

Luigi Nono (1953)
SWF Experimentalstudio